Der Gscheid Haferl Blog

13.04.23

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Gscheid Haferl in Kenia: eine Reise vollgepackt mit absoluten Kaffee-Highlights!

Nach 3-jähriger Zwangspause war es Ende Januar 2023 endlich wieder so weit: Gscheid Haferl fährt in den Kaffee-Ursprung! Viele Kaffeefreunde lieben die Kaffees aus Kenia, die mit fruchtigen Aromen, feiner Säure und ihrer unglaublichen Klarheit begeistern. Einen richtigen "gewaschenen" Aufbereitungsprozess, wie er in Kenia die Regel ist, habe ich selbst auch noch nicht gesehen und Daniel war noch nie im Kaffeeursprung. Genug Gründe, in den Flieger nach Afrika zu steigen und zusammen mit unserem Importeur Chris Pfeiffer von Wertkaffee die Farmen und Regionen zu besuchen, von denen unsere kenianischen Kaffees stammen. Zusammen mit Michaela und Max von Maxbean sowie Philip von Cycle Roasters hatten wir viel Spaß und regen Austausch unter Kollegen. Oder einfach gesagt: eine unglaubliche Kaffeefahrt! 

 

Aufbereitungsstation der Kiriga-Farm: Zutritt nur für fleißige Mitarbeiter

Nach einem Get-Together und 1-2 Bier an der Hotelbar in Nairobi gings am nächsten Tag gleich früh los. Auf zur Kiriga-Farm, von der wir unsere aktuelle 'extra.gscheid' Filterröstung bekommen.

Allein die Fahrt mit kenianischem Street Life am Straßenrand war schon sehenswert.
Farmbesitzer Brian hat und über die Farm geführt, verschiedene Varietäten erklärt und uns seine Arbeit erklärt. 

Brian hat Glück: die Bohnen sind schön groß und saftig.

Während der Wachstumsphase der grünen Kaffeebohnen prüft Brian immer wieder den Entwicklungsstand/Reifegrad der Bohnen, indem er eine Kaffeekirsche pflückt und quer durchschneidet. Dabei sieht er, ob sie schön saftig ist, wie gewünscht zwei schöne große ‚Bohnen‘ trägt und wie deren Reifegrad ist. Zu dem Zeitpunkt, als wir ‚mitgeprüft‘ haben, war es wichtig, dass die Bohnen noch weich und sehr saftig sind. Dadurch sieht Brian, ob sich die weitere Bewässerung noch lohnt. Die Kaffeebohnen wachsen zuerst auf Ihre Größe heran, bevor sie beginnen, auszuhärten und zu reifen. Beginnt die Bohne hart zu werden und ist noch recht klein, kann sie nicht mehr weiter wachsen und eine Bewässerung würde sich nicht mehr lohnen. Aber wir hatten Glück, Brians Team wird die Bewässerung noch einige Zeit fortsetzen können, um viele große Kaffeebohnen zu bekommen (Kenia: Grade AA - extra große Bohnen, höchste Qualitätsstufe und Preisklasse). Kiriga AA - unser Kaffee von Brian.


Brian teilt sein unglaubliches Wissen mit Philip und uns

Die Kleinkriminalität ist leider auch sehr hoch in der Gegend. Die Ernte muss während der Trocknungszeit bewacht werden, damit keine Einbrecher sackweise die Trocknungsbetten abräumen oder sogar die Bewässerungsrohre und Hydranten abflexen und als Altmetall verkaufen. Brian sieht das eher locker nach dem Motto „passiert halt - man gewöhnt sich dran“. 

Der Kaffeeanbau auf der Kiriga-Farm ist viel aufwendiger als etwa in Brasilien. Bewässerung, Bewachung, staatliche Regulierung zum Beispiel der erlaubten Pflanzenvarietäten führen zu viel Aufwand. Zudem müssen die Kaffeepflanzen „gestresst“ werden. Um richtig viel Ertrag zu produzieren, müssen die Bäume zunächst das ‚Gefühl‘ haben „Hier ist es hart, ich produziere viele Samen, um hier wegzukommen“. Das passiert durch Zurückschneiden der Triebe bzw. auch der Wurzeln (ggf. mit dem Pflug), damit richtig ‚Stress‘ aufkommt. Kurz bevor es dann zu spät ist, muss der Regen einsetzen. Und dann gibts zur Erlösung vom Stress richtig viele Blüten, die ja dann die Grundlage für eine reiche Ernte sind.

Wir haben auch seine Aufbereitungsstation besucht und sind dann nach einem Snack mit Samosas und Bier wieder zurück nach Nairobi.
Auf halber Strecke hat uns Brian zu einer traditionell gegrillten Ziege eingeladen. Fleisch, Pommes und Mangold mit den Fingern essen und Ripperl abfieseln ist alleine auch schon eine Erfahrung. 😅

Abends gings dann für uns gleich weiter per Flieger nach Kisumu und schließlich zu Crossroads, wo wir die zweite Nacht in Kenia verbringen durften. Ab hier war dann auch erstmal Schluss mit Hotel-Luxus. Stockbetten und Gemeinschaftsdusche haben wir aber gern in Kauf genommen und durften dafür die echte kenianische Gastfreundschaft kennenlernen.

Einfach gastfreundlich: Crossroads Fellowship Ministry

Unsere zweite Nacht in Kenia haben wir bei Crossroads verbracht. Crossroads ist eine kirchliche Organisation mit Wurzeln in Deutschland, die straffällig gewordenen Jugendlichen nach Absitzen Ihrer Gefängnisstrafe dabei hilft, Ihren Weg in die Gesellschaft zu finden. Sie wohnen dabei bei Crossroads und bekommen „Life skills“ vermittelt und machen eine Ausbildung. 
Haupteinnahmequelle von Crossroads ist die zugehörige Kaffeeplantage. Seit einigen Jahren wird hier Kaffee angebaut.

Beim Farmrundgang hat uns Philipp, der deutsche hier arbeitende Sozialarbeiter viel über das Projekt erzählt und erstaunliche Einblicke in die kenianische Geschichte und Gesellschaft gegeben. Die Zusammenhänge sind wirklich komplex, sodass er gemeint hat er könnte und jetzt mehrere Tage weiter referieren, damit wir die völlig andere Kultur ansatzweise verstehen. Er meinte aber ‚je länger man hier lebt, desto weniger versteht man‘. Darum von mir an dieser Stelle auch nicht viel mehr. Wir jedenfalls waren tief beeindruckt.

Die erste Kaffeeverkostung bei Crossroads - und wir mittendrin


Dann folgt ein absolutes Highlight unserer Reise: die Eröffnung des Verkostungslabors bei Crossroads. Chris hat in Deutschland von Firmen aus der Spezialitätenkaffee-Branche Ausrüstungsspenden wie eine Kaffeemühle, Brüh-Equipment und Wasseraufbereitung gesammelt, die unsere Reisegruppe im Fluggepäck nach Kenia pünktlich zur Eröffnung mitgebracht hat. Gscheid Haferl hatte die Ehre, eine 20kg schwere Mahlkönig-Ladenmühle mitzuschleppen, was wir aber sehr gern gemacht haben.

Viele der dazu angereisten Farmer haben so etwas das erste Mal erlebt. Sie kennen Ihr Produkt eigentlich nur bis zum Farmtor und haben so endlich die Möglichkeit, Kaffees, deren Qualitäten und Aromen zu vergleichen und dadurch zu verstehen, warum es sich lohnt, deutlich mehr Aufwand zu betreiben, um eine höhere Qualität zu erreichen, was ihr Einkommen deutlich erhöht.

Großes Gedränge um die Kaffeeschalen bei der Labor-Eröffnung

Alle waren sehr begeistert und interessiert. Es könnte der Grundstein für eine wirklich großartige weitere Entwicklung in der Region und auch darüber hinaus sein. Wir sind ein kleines bisschen Stolz, dabeisein zu dürfen.

Nächste Station der Reise: die Ol' Ochoy Farm von Lina und Paul Lilan, einem einflussreichen Kenianer und u.a. Vorsitzender von World Vision Kenya. Er setzt sich stark für bessere Lebensbedinungen von Kindern und Familien in ganz Kenia ein und lebt dies selbstverständlich auch auf seiner Farm auf über 2000m Meereshöhe. Wir durften 2 Nächte auf der Farm übernachten, Kaffeekirschen pflücken und live bei der Aufbereitung dabei sein. Dazu gab es tolles Obst aus eigenem Anbau. Den Geschmack frisch geernteter vollreifer Ananas, Papayas und Mangos aus dieser Höhenlage werden wir nie vergessen. Ebenso den Sonnenuntergang.

Daniel beim Kaffeepflücken auf der Ol' Ochoy Farm

Von der Farm wanderten wir am morgen Richtung Tal und durften ein bisschen bei der Ernte helfen. Gar nicht so leicht, immer nur die aller reifsten roten Kirschen zu finden und zu pflücken. Als wir zusammen mit den Pflückern genug Kaffee hatten, um die Aufbereitungsanlage anzuwerfen wurde die auch schließlich angemacht. Sie steht direkt auf dem Äquator und ist in einem sehr schönen uns sauberen Zustand. Die Kirschen müssen von den Pflückern und in diesem Fall uns zur Station getragen werden. Gar nicht so leicht, die ca. 2km mit 10kg Kaffee im Eimer auf Kopf oder Schulter zurückzulegen. Farm-Manager Massai erklärte uns den Prozess, während die Frauen arbeiten mussten. Ein häufiges Bild auf unserer Reise. 

Nach dem Besuch der Aufbereitungsstation  sind wir weitergewandert zur Meteitei Set Kobor Kooperative, wo wir mit einem traditionellen Tanz und Geschenken so herzlichen empfangen wurden, dass wir quasi zu gerührt waren, um den Moment festzuhalten. Die Kooperative besteht inzwischen aus über 500 Kleinbauern, die alle nur wenige Kaffeepflanzen bewirtschaften. Sie ist in den letzten Jahren schnell gewachsen, da sie den Bauern gute Preise bezahlt und ihnen Wissen zum Kaffeeanbau vermittelt. In der Kooperative gibt es auch ein eigenes ‚Women in Coffee‘-Projekt, in der die Frauen ihren Kaffee separat aufbereiten und vermarkten dürfen. Die Vorsitzende der Frauenkommission in der Kooperative Mary hat uns alle dann in ihrer kleinen Farmhütte zu einem hervorragenden Essen eingeladen. Wir durften bei ihr im Wohnzimmer Platz nehmen und typisch kenianische Kost probieren. Auch hier machte die Aufbereitungsstation einen sehr sauberen Eindruck und der Geldmangel, der an allen Enden herrscht, wurde deutlich. So stand der einzige Traktor der Kooperative zerlegt ohne Motor auf dem Gelände. Ersatzteillage? Schwierig!

 

Motor? - Fehlanzeige! 

Am nächsten Tag ging’s von der Ol‘Ochoy Farm gleich am Morgen zu den Lion Hills. Wir wurden mit einem Frühstück empfangen und auf dem offenen Pickup über die Farm gefahren. Die Ernte ist leider schon rum, daher haben wir leider nicht so viel zu sehen bekommen, was Kaffee angeht. Interessant aber, wie riesig die Farm ist und was hier alles angebaut wird. Neben Kaffee und Tee lebt sie von Rinderzucht (über 700 Stück Vieh) und Zuckerrohr. 
Sie vergrößert die Anbauflächen stets und hat erst dieses Jahr in eine neue Aufbereitungsstation investiert, wo sie ca. 4000kg Kaffeekirschen pro Stunde verarbeiten können. Hier können auch die benachbarten Kleinbauern ihre Kaffees aufbereiten. Ein Highlight war auch, als wir von Philip gerösteten Lion Hills Kaffee mit Comandante und Aeropress aufgebrüht und zusammen mit den Bauern getrunken haben. Obwohl die Farmer recht wohlhabend sind und selbst Kaffee anbauen, gibt’s dort häufig nur Instant Brühe, da leider niemand die Möglichkeit hat, Pergamino-Kaffee zu schälen, zu rösten zu mahlen und dann zu verkosten. Ein erster Schritt in diese Richtung ist aber gemacht mit dem Cupping-Labor bei Crossroads. 

 

Lion Hills junior Edward mit seinem neuen Kaffeekirschenentpulper

Im Anschluss fuhren wir weiter zu Chepsangor Hills, einer Farm, die in Spezialitätenkaffeekreisen sehr bekannt ist für ihre Experimentierfreudigkeit, vor allem bei Fermentation und Aufbereitung. Bei der Führung über die wunderschöne, wie ein Garten angelegte Farm ist nach der Besichtigung der Aufbereitungsanlage aus der Diskussion heraus der Gedanke entstanden, doch ein eigens Aufbereitungsexperiment zusammen mit Sammy und Rosbella von Chepsangor zu starten. Jeder von uns brachte seine Ideen und Erfahrungen aus anderen Ursprungsreisen ein, und jede der drei Röstereien sagte zu, bei erfolgreichem Experimentverlauf einen Sack Kaffee abzunehmen. Details? Top Secret! Zum Abschluss durften wir wie jeder Besucher auf der Farm am Fluss je einen Baum pflanzen - ein Projekt das den Farmbesitzern sehr am Herzen liegt. Die Notwendigkeit, den Klimawandel in den Griff zu bekommen, ist hier jedem klar. Mit dem immer häufigeren Ausbleiben von Regen stehen viele Existenzen auf dem Spiel.

 Rosbella bei der Führung über ihre Farm Chepsangor Hills

Nach einer weiteren Übernachtung bei Crossroads stand für den nächsten Tag hauptsächlich Autofahren auf dem Programm. Wir machten uns wieder auf den Weg Richtung Nairobi. Leider ist der geplante Besuch bei der Kabnegetuny Kooperative, von der wir den Kenia Kericho 'Women in coffee' bekommen, ausgefallen. Auch das ist Afrika. Zeiten, Termine und Ähnliches werden hier nicht ganz so eng gesehen. Da gewöhnt man sich als Europäer aber erstaunlich schnell dran: wenn "um sieben Uhr Abfahrt" vereinbart wird, reicht es in der Regel, sich um sieben den Wecker zu stellen. 

Nach einem ganzen Tag Autofahren im geliebten Toyota-Van von Paul, unserem Tour-Guide, erreichen wir abends den Lake Naivasha und nach den Übernachtungen auf Farmen mit eiskalten oder viel zu heißen Duschen und teilweise Stockbetten geht’s aber heute wieder ins Hotel. Nach einem entspannten Abend im Hotel stand am nächsten Morgen Touristen-Programm auf dem Schirm. Wir machten eine Boots-Safari am See, bevor wir am Nachmittag dem Weg des Kaffee folgend nach Nairobi aufbrachen. 

Verkostung bei Kahawa Bora

Am darauffolgenden Tag stand die Führung durch die Drymill bei Kahawa Bora mit anschließender Verkostung auf dem Programm. In der Drymill werden die Kaffees vom Farmer angeliefert, von der Pergamenthaut befreit, nach Größe und Qualität sortiert, verpackt und verkostet. Hier durften wir einen großen Teil der aktuellen Ernte des Angebots von Wertkaffee verkosten, darunter viele besuchte Farmen wie Kiriga sowie "unsere" Kabnegetuny Kooperative - sehr vielversprechend.

Da ein Teil von Chris' Angebot aber über CMS - coffee management services gemillt und verschifft wird - stand nach einem koffeinreichen Vormittag und echt kenianischem Mittagessen auch dort noch eine Verkostung an. Mary Njoki und ihr Team haben uns einen riesigen Tisch mit ca. 40 Mustern vorgesetzt, da hatten wir ordentlich zu schmecken. In einer zweiten, kleinen Runde hat uns Mary dann noch eine Farm präsentiert, die uns alle überrascht hat: Gilead. Mehr wussten wir nicht, aber die Kaffees waren unglaublich komplex, sauber und fein, sodass Philip und ich spontan zugeschlagen haben. Bei Cycle Roasters wird's AA Grade geben und wir haben bei den Peaberries zugeschlagen. Gut zwei Sack davon ergaben sich aus der Ernte - perfekt für einen 'extra.gscheid'. 

Blick ins Lagerhaus bei CMS

Nach einem kleinen Abstecher ins Nachtleben von Nairobi fand unsere Kaffeereise am nächsten Tag einen Ausklang mit dem Besuch eines Masai Marktes, wo wir die Möglichkeit hatten, kenianische Souvenirs zu shoppen und dem Besuch von Spring Valley Coffee Roasters, einer der wenigen Röstereien, die in Kenia Spezialitätenkaffee für den eigenen Markt rösten und in Coffeeshops anbieten. Wir konnten die Kaffeebar besuchen, in der alles begann und waren baff, als wir erfahren haben, welche Mengen Kaffee auf kleinstem Raum von Röster Mohamed und seinen Kollegen auf einer 12kg-Maschine verarbeitet wurden. Die Rösterei zieht gerade um und hat dann endlich genug Platz, um anständig arbeiten zu können. 

 

Röster Mohamed uns sein Probat P12

Schließlich trennten sich die Wege unserer Reisegruppe. Für Maxbean war der Heimflug angesagt, für Chris stand die Prüfung zum Q-Grader an und der harte Kern von Cycle Roasters und Gscheid Haferl gönnte sich noch einen Abstecher nach Diani Beach, bevor auch wir zurück nach Hause in den bayerischen Winter fliegen durften. Mit vielen Eindrücken, der Aussicht auf wirklich tolle Kaffees und einem kräftigen Motivationsschub kehrten wir zurück und freuen uns aufs nächste Abenteuer.

pallet café - gemütliche Strandbar mit eigener Röstung