Der Gscheid Haferl Blog

18.10.18

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40 Minuten Röstwahnsinn - 2. Platz bei der "Roasting Fight Night"

Feldi und ich holen Silber bei der "Roasting Fight Night" am 11.10.2018 in Hamburg bei der Kaffeerösterei Burg

Feldi nach dem Servieren der Espressi

Im Rahmen der Coteca 2018 von 10.-12.10.2018 in Hamburg waren wir von CTS - Coffee Trading Stehl und der Burg Kaffeerösterei eingeladen, um in Party-Athmosphäre gegen sieben andere Röstereien aus ganz Deutschland um einen grandiosen Hauptpreis zu "fighten": einen gasbetriebenen Proben-Trommelröster von "HB Roasters", auf dem auch der Wettkampf ausgetragen wurde. Ein wirklich schönes Maschinchen, auf dem sich gut rösten lässt und alle Einstellmöglichkeiten bietet, die das Rösterherz begehrt: Gas, Airflow, Trommeldrehzahl.

Nun ist es ja nichts Neues, dass Kaffee nach dem Rösten seine Zeit braucht, um zu ruhen, aber in diesem Fall hatten wir alle die gleichen Rahmenbedingungen:

Wir hatten 40 Minuten Zeit, um aus unbekannten Rohkaffees (ohne Beschreibung dazu) an einem ungewohnten Röster je einen Filterkaffee und einen Espresso zu zaubern und einer namhaften Jury zu servieren. Wobei wir auch an einer uns unbekannten Espressomaschinen/-mühlenkombi arbeiten mussten. Eine zweigruppige LaMarzocco Linea Classic für zwei Teams, dazu je eine Mythos One. Also durchaus schweres Gerät der Profiklasse.

Feldi an der Linea Classic

Am Tag zuvor hatten wir kurz Gelegenheit, den Röster kennenzulernen und mit indischen und brasilianischen Kaffees zu experimentieren und uns mit den anderen Teilnehmern einzustimmen bzw. auszutauschen. Espressomaschine und -mühlen stand erst unmittelbar am Wettkampftag bereit. Aber gleiches Recht für alle, und damit gingen wir doch recht locker in den Wettbewerb, trotz eines Hauptpreises im Wert von über 4000€ (!). Mit den anderen Teams waren wir uns absolut einig: ein reines Roulette-Spiel, bei dem das Glück eine mindestens ebenso große Rolle spielt wie das Geschick des Teams aus Röstmeister und Barista. Der Ehrgeiz hat aber dann doch alle gepackt und jeder wollte sein Bestes geben.

So haben wir uns folgende Strategie überlegt:

- Wenn unter den Rohkaffees ein gewaschener Arabica aus Zentralamerika ist, verwenden wir diesen für Filterkaffee und Espresso. Die kennen wir einfach am besten.

- Wir packen die Bohnen ein bisschen knackiger an, um auf Röstzeiten von ca. 10-14min. zu kommen. Dabei zielen wir auf die bei uns bewährten Endtemperaturen und Entwicklungszeitanteile ab und vermeiden Röstfehler (kein Crash&Flick, Baking, Underdevelopment). Dazu achten wir auf eine stetig fallende RoR - wobei wir keine Röstprofilaufzeichnungssoftware zur Verfügung haben. Also Profil nach Gefühl. Mit einer Endtemperatur von 7-10°C über der Temperatur zum Beginn des ersten Cracks und max. 20% DTR für den Filterkaffee sowie 15-18°C und 25% für den Espresso sollten wir da ordentliche Kaffees abliefern.

- Wir rösten zuerst den Filterkaffee - und während Feldi sich an die Zubereitung desselben macht, kümmere ich mich um die Espressoröstung, damit wir zum Schluss gemeinsam die Espressomaschine einstellen können.

Ich im Interview

Soweit die Theorie.

Auf in die Praxis: am nächsten Tag war die Aufregung unter den Teilnehmern natürlich deutlich zu spüren, jeder war motiviert bis in die Haarspitzen. Die Teams wurden nacheinander vorgestellt und unter Jubel vom Publikum begrüßt, wobei sich einige Mitstreiter schon beim Outfit ordentlich ins Zeug gelegt hatten. Vom italienischen Mafiosoteam aus Hockenheim über die fränkischen Jedi-Ritter bis zum hamburgisch-russischen Boxstar inkl. Nummerngirl-Groupies waren gewitzte Kostüme am Start. Und wir Bayerwäldler sind einfach als Kaffee-Hipster aufgelaufen. Die Paarungen wurden gelost und wir hatten das Glück, in der zweiten Runde dranzukommen. So hatten wir uns das gewünscht. Erst die Anfangsnervosität überstehen, dann ordentlich abliefern und danach den Abend bei einem Entspannungsbier ausklingen lassen.

Jetzt wirds ernst. Eine Runde rum, wir sind dran!

Der Röster ist heiß, die Spiele mögen beginnen. Wir begutachten erst gemeinsam die Rohkaffees, entscheiden uns für den erhofften gewaschenen Zentralamerikaner und schaufeln 500g in die Schüssel. Der Röster zeigt 170°C, ab mit den Bohnen in die Maschine.
Die Filterröstung läuft absolut nach Plan, vielleicht ein bisschen kürzer als erhofft. Ich muss mich während der Röstung frechen Fragen des Moderators Danjiel Peric stellen, lass mich aber nicht aus der Ruhe bringen. Nach 10:30 min (1.Crack bei 8:30) holen wir die Bohnen bei 203°C raus und machen eine kurze Kauprobe: top! Keine Röstfehler, Aroma vorhanden, süßer, milder Filterkaffee. Unter den Umständen perfekt gelaufen. Der wird gut!

Während Feldi sich nun darum kümmert, aus der Bohne trinkbaren Filterkaffee zu zaubern, gehts bei mir weiter mit der Espressoröstung. Wieder 500g des gleichen Rohkaffees, den wir bei 160°C in die Trommel geben, damit ich eine längere Röstzeit hinbekomme. Ich gehe mit der Ablufttemperatur höher, damit wir genug Energiereserven für eine dunklere Röstung haben. Was nicht ganz aufgeht. Nach gut 12 Minuten bin ich bei 25% DTR, aber der Kaffee ist mit 210°C gefühlt noch 3-4°C zu kalt. Länger entwickeln schmeckt in der Regel gar nicht, daher nehme ich eine höhere Säure in Kauf und hole die Bohnen raus. Gibt dann eben einen Third Wave Espresso. Die Kauprobe war wieder sehr vielversprechend (keine Röstfehler!) und damit starteten wir mit nur noch etwa 8 Minuten übriger Zeit an der Siebträgermaschine.

Dass das Einstellen des richtigen Mahlgrades unter Zeitdruck nicht immer so richtig klappen will, kennen wir aus unserem Alltag im Laden nur zu genüge. Da kennen wir aber Maschine und Mühle auswendig. Die Wettbewerbskombi ist uns neu und ungewohnt. Und als uns nach einigen viel zu schnell gelaufenen Espressi die Tassen ausgehen und der Siebträger plötzlich in den Händen der Konkurrenz landet, steigt die Nervosität nochmal um eine Zehnerpotenz. Feldi sprintet um Tassen, ich stelle den Mahlgrad nach Gefühl feiner. Fühlt sich dann zwischen den Fingern doch noch einigermaßen gut an. Wir bekommen fairerweise 3 Minuten vor Schluss den Siebträger wieder zurück und haben nur noch eine Chance. Jetzt gilt es: Siebträger vollmachen, tampen, einspannen und hoffen: Wie in der Werbung kommen Mäuseschwänze aus dem Auslauf. Schöne, haselnussbraune Crema mit Tigerstreifen. Die Bezugszeit eine gefühlte Ewigkeit. Der sitzt! Das Ergebnis sieht servierbar aus - und das machen wir auch: da die Zeit für einen weiteren Bezug nicht reicht, serviert Feldi die beiden Espressi und ich mach mich ans Aufräumen. Geschafft! Jetzt erstmal ein Entspannungsbier, durchschnaufen und auf die Siegerehrung freuen.

Diese beginnt, wie auch die ganze Veranstaltung hervorragend moderiert von Danijel Peric, mit der Kategorie Espresso. Unser Name fällt bei Platz 3. Wir freuen uns sehr, mit dem lucky shot in letzter Minute aufs Treppchen zu kommen, nur noch geschlagen von Kaffanero aus Dresden und Classic Caffee aus Hamburg. Wir grautlieren uns sind gespannt auf die Filterkaffee-Siegerehrung.

Da wir mit dem Röstergebnis sehr zufrieden waren und Feldi beim Handaufguss bestimmt nichts anbrennen lässt, sind wir guter Dinge, auch hier unter den besten Drei zu landen. Die Platzierungen werden vorgelesen: Kaffanero auf drei, Café Plaisir aus Saarlouis auf Platz zwei. Das muss doch der Sieg sein! Nach einer gefühlten Ewigkeit fällt unser Name: Bester Filterkaffee! Der Wahnsinn! Gold für Gscheid.HAFERL in der Kategorie Filterkaffee!

Wir beginnen zu grübeln, Dresden rechnet: 3+1 (wir) oder 2+3 (Kaffanero)? Wer holt den Röster nach Hause?

Danjiel Peric macht es nochmal spannend und kommt zur Gesamtwertung: Platz drei geht an Classic Caffee mit dem besten Espresso, Silber schließlich an uns und der HB Roaster an Kaffanero! Wow - wer hätte das gedacht!

Schließlich wird auch das Geheimnis der eingesetzten Rohkaffees gelüftet. Wir haben mit Guatemala Lapocoy nicht schlecht geraten und einen feinen zentralamerikanischen gewaschenen Arabica erwischt. Eine wirklich gute Wahl für Filter und Espresso.

Zusammen mit den anderen Teilnehmern, Veranstaltern und Sponsoren lassen wir den Abend noch kurz an der Bar ausklingen, bevor wir uns in die Hamburger Nacht verabschieden.

Was für ein Abend! Wir bedanken uns bei allen, die diese Wahnsinns-Kaffeeparty ermöglicht haben, allen voran Thomas Stehl und Erik Brockholz von der Kaffeerösterei Burg!

Alle Fotos von Hans Ripa