Der Gscheid Haferl Blog

12.06.18

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Gscheid Haferl in Brasilien

Ende Mai diesen Jahres war es soweit: endlich den Kaffeeanbau live erleben!
In einer Reisegruppe aus verschiedenen deutschen Röstereien hatte ich die Gelegenheit, insgesamt 3 Regionen in Brasilien und ihre zum Teil sehr unterschiedlichen Anbau- und Aufbereitungsmethoden zu besichtigen und kennenzulernen.

 

Fazenda Camocim

Nach der Landung in Rio de Janeiro, einem Inlandsflug nach Vitoria und einem zweistündigem Transfer per Kleinbus ging es zuerst nach Pedra Azul, um die Gewinnerfarm des "Cup of Excellence 2017" zu besuchen. Farmbesitzer Henrique Sloper legt sehr großen Wert auf umwelt- und sozialgerechte Standards und erntet absoluten Spitzenkaffee. Direkt vor Ort konnten wir vom Anbau über die Aufbereitung sehr viel Eindrücke sammeln und im Röst- und Verkostungslabor die hervorragende Arbeit begutachten und unter anderem "den besten Kaffee Brasiliens" der letzten Ernte probieren, das "Cup of Excellence Winner Lot".

Neben der Fazenda Camocim haben wir auch die benachbarte "Sitio dos Cedros" besucht. In idyllischer Lage werden bei den jungen Farmern vor allem Red Catuaís angebaut, aber auch Versuche mit anderen Varietäten (u.a. Geisha) gemacht. Vor Ort haben wir die Ernten aus verschiedenen Monaten verkostet und waren uns schnell einig: je länger die Kaffeekirschen Zeit haben, am Baum zu reifen, desto besser. Mit jedem Monat wurde der Kaffee voller, ausgewogener und fruchtiger. Die späteste Ernte im Dezember war voll von schönen, reifen Johannisbeeraromen.

Nach den Farmbesuchen hatten wir die Gelegenheit, in einem staatlich geführten Kaffeelabor den gleichen Kaffee, der auf verschiedene Arten aufbereitet wurde, zu verkosten. Die Unterschiede waren echt erstaunlich! Und durch die "richtige" Aufbereitung kann der SCA-Score um einige Punkte angehoben werden. So können auch Kaffees aus niedriger gelegenen Anbaugebieten deutliche Fruchtnoten und somit um 6-8 Punkte mehr erhalten. Wobei die aus der Fermentation mit Hefe entstehenden Aromen dann doch Geschmackssache sind. Aber warum nicht mal einen fruchtigen Robusta probieren?

Caparaó Nationalpark

Nach den vielen Eindrücken auf der Demeter-Farm von Henrique war dann erstmal Busfahren angesagt, um verschiedene Kleinbauern im Caparaó Nationalpark zu besuchen. Eingestellt auf einen ganzen Tag im Bus waren wir dann richtig geplättet, als wir auf der Ostseite des Nationalparks noch einen Abstecher zu einer richtigen Bilderbuchfarm machten: der Sítio Cordilheiras Do Caparaó. Nur auf Feldwegen erreichbar liegt sie etwa 30 min. "abseits der Zivilisation" und verfügt über eine eigene kleine Rösterei und Kaffeebar, wo der eigene Kaffee für den lokalen Markt gleich geröstet wird und direkte Rückschlüsse auf die Anbau- und Aufbereitungsmethoden zulässt.

phänomenale Aussichten
Nach einer ausgiebigen Besichtung der Kaffeeplantage sind wir von den Farmbesitzern zu Kaffee, Kuchen und Bananen aus eigenem Anbau eingeladen worden. Wirklich ein Traum von einer Kaffeefarm.

Die nächsten Tage standen ganz im Zeichen vieler Cuppings und Besuchen von Kleinbauern in der Region Alto Jequitibá bzw. Caparaó. Auf teilweise sehr schlechten Wegen haben wir zusammen mit Hebron Specialty Coffees Kaffeeplantagen besucht, die hochwertigen Kaffee vor Ort anbauen. Hebron berät Kaffeebauern vor Ort bezüglich Anbau- und Aufbereitungsmethoden und hilft den Farmern bei Vertrieb und Export. So können die Bauern mit oft einfachen Mitteln durch die Herstellung hochwertigster Rohkaffees einen deutlich höheren Preis erzielen und somit ihre Existenz dauerhaft sichern. Ein sehr schönes Beispiel hierfür ist die Farm von Onofre Lacerda, der mit seinen Kaffees regelmäßig Preise gewinnt. Für die kommende Ernte planen wir, auch ein schönes Microlot aus dieser Region in unser Programm aufzunehmen.

Minas Gerias - Carmo do Paranaiba

Nach einem weiteren Tag überwiegend im Bus (wir haben die Kleinbusse gegen einen Reisebus ausgetauscht) stand dann das Finale der Reise auf dem Programm. In Minas Gerais, auf der Cerrado-Hochebene haben wir die Gebrüder Andrade und ihre Farmen Sao Silvestre und Capim Branco sowie die Nachbarfarm Sao Bento besucht. Durch das ebene Gelände, die hohe Lage und das konstante Klima ist die Region ideal für den Kaffeeanbau im größeren Stil geeignet. Im Gegensatz zur bergigen Region im Caparaó-Nationalpark können hier auf der Ebene die Kaffeepflanzen in Reih und Glied angebaut und maschinell geerntet werden. Dadurch werden zwar auch unreife Kirschen geerntet, diese können aber mit Sortiertechnik (Floater Separation, Farb-Sortieranlagen) aus der Ernte entfernt bzw. separat aufbereitet werden. Durch die maschinelle, aber aufwendige Ernte und Aufbereitung kann dann doch eine erstaunliche Qualität zu einem guten Preis erreicht werden. An ein handgepflücktes Microlot aus höheren Lagen kommt aber auch die beste Maschinentechnik nicht heran, was die feinen Aromen betrifft. Als Basis aber zum Beispiel für einen vollmundigen Espressoblend sind diese Bohnen ideal.

Dito kümmert sich mit Hingabe um die Microlots auf "Sao Silvestre"

Dito kümmert sich mit Hingabe um die Microlots auf Sao Silvestre

Bei uns zur Zeit im Angebot: ein Microlot der Varietät "Yellow Bourbon" von der Sao Silvestre Farm, das im Gegensatz zur Standardware handgepflückt wird und auf "African Beds" getrocknet wird. Die "Yellow Bourbon"-Pflanze wächst so hoch, dass die Kirschen nur mit der Leiter geerntet werden können, was die Arbeit zusätzlich erschwert.

Mit hohen Sozial- und Umweltstandards sorgt Farmbesitzer Ismael Andrade auch sehr für das Wohl seiner Angestellten. Interessant: Auf der niedirger gelegenen "Capim Branco"-Farm war die Ernte bereits in vollem Gange, während die Kirschen auf der rund 100m höher liegenden "Sao Silvestre"-Farm noch in Ruhe reifen durften. Je länger die Kaffeekirschen reifen dürfen, desto mehr Fruchtaromen fineden sich im Geschmacksprofil.

Sehr aufschlussreich war schließlich die Verkostung, bei der wir alle Sorten der Andrade-Farmen und verschiedene Microlots aus der zuvor besuchten Region Jequitiba miteinander probieren konnten. Am liebsten hätten wir gleich zugeschlagen. Aber ein Kaffeesack geht eben nicht so leicht ins Handgepäck. Über kurz oder lang wird aber sicher die eine oder andere Bohne aus Brasilien zu uns ins Regal finden.